Rasche Hilfe oder wie Ruslan uns rettete
Nicht einmal drei Stunden später befanden wir uns schon in Aktobe. War ein sehr seltsames Gefühl, so schnell 200 km zurückgelegt zu haben und mit dem Bus da zu sein. Nachdem wir die Räder dem Gepäckraum des Busses entnommen hatten, fiel Stefan plötzlich auf, dass bei Alexandra’s Fahrrad scheinbar das Hinterrad eierte. Bei genauerer Betrachtung stellte sich heraus, dass die ganze Kassette wackelte. Oh oh… Daher wollten wir uns in unseren Tagen in Aktobe auch auf die Suche nach einem Fahrradshop umsehen. Weder im Internet, noch in den Straßen ließ sich ein solcher finden und auch die Fahrradfahrer Aktobes, die wir auf der Straße ansprachen, konnten uns nicht weiterhelfen.
Also kontaktierte Stefan über Facebook einen Hoschi, der scheinbar Mitglied eines Fahrradvereins in Aktobe ist. Dieser, der lustigerweise auch Ruslan heißt, konnte uns auch keinen Fahrradshop nennen, meinte jedoch, er selbst könne versuchen, es zu reparieren.
Gegen 11 Uhr am Folgetag kam er tatsächlich bei unserem Hotel vorbei und packte uns mitsamt Alexandra’s Hinterreifen in seinem Auto ein und fuhr zu einem Freund, Alek, um sich das mit ihm und mit Hilfe dessen Werkzeug genauer anzusehen. In der Folge fuhren wir dann direkt zu Ruslan nach Hause, um uns das nochmals genauer anzusehen und Ruslan holte dazu über Skype einen Freund hinzu, der sich scheinbar sehr gut mit soetwas auskennt. Wie es aussieht, war bei Alexandra’s Nabe von Anfang an ein Produktionsfehler vorhanden, der mit der Anzahl der gefahrenen Kilometer immer offensichtlicher wurde und schließlich zu einem starken Eiern des Hinterreifens geführt hat.
Nachdem wir das Rad mehrfach zerlegt hatten und sich herausstellte, dass wir es nicht richten könnten, wurde beschlossen, dass wir nach Astana müssen. Ruslan kennt auch dort einen Shop-Besitzer und andere Leute, die bei Fahrradvereinen sind und meinte, dort sollten wir die Sache lösen können. Entweder durch Reparieren oder durch neuen Hinterreifen.
Dann durften wir noch seine Eltern kennenlernen – sehr lustige Leute, die es lieben, fischen zu gehen – und mit ihnen zu Abend essen. Zum Abschied überreichte uns die Mutter sogar noch ein paar Kilo Gemüse aus dem eigenen Garten – wie nett! 🙂
Anschließend fuhr Ruslan mit uns um gegen 19 Uhr noch zum Bahnhof und half uns, die Fahrkarten für unsere Fahrt nach Astana zu kaufen. Zwar wurden wir informiert, dass es bei dem Zug keinen Wagon für extra Gepäck gäbe, doch Ruslan meinte, es würde ganz sicher irgendwie gehen. 😀
Danach gingen wir noch ein bisschen mit ihm spazieren – es war eine laue Nacht in Aktobe – und plötzlich sind etwa 15-20 Radfahrer zu uns gestoßen, haben uns umzingelt, wollten ein Foto, haben verschiedenste Fragen gestellt,… Es handelte sich um Radfahrer aus Ruslans Verein, der von Jahr zu Jahr wächst.
Dann haben sich die Radfahrer verabschiedet und Ruslan führte uns, die ganz überwältigt waren, zurück zu seinem Auto. Danach hat er seine Frau Laura von der Arbeit abgeholt, die schnell noch Luftballons einkaufen ging. Um Mitternacht wollten die beiden einen Freund überraschen, der dann Geburtstag hatte. 🙂 Anschließend haben die beiden uns tatsächlich noch Abendessen zum Mitnehmen gekauft, damit wir im Hotelzimmer etwas zu essen hätten.
Am nächsten Tag regnete es natürlich und so schoben wir die Fahrt zum Zug noch auf, der Zug ging schließlich erst um 19 Uhr. Vor dem Bahnhofsgebäude waren dann wieder alle sehr neugierig, was es mit uns auf sich hätte und so bildete sich eine ganze Menschentraube um uns. Wenn wir „Austria“ sagten, hörte man manche auch ehrfürchtig „Aaah Australia“ murmeln, worauf wir irgendwann nur mehr den Kopf schüttelten. 😀 Einer wollte es ganz genau wissen und fragte Alexandra nochmals: „Australia? Känguruh?“, was sie natürlich verneinte und mit „Arnold Schwarzenegger!“ konterte. Da lachte der Kasache. Dass es bei uns auch tatsächlich Winter und Schnee gibt, aber keine Orangen und keine Bananen wollte er dann aber doch irgendwie nicht recht glauben.
Um 18 Uhr sollten wir am Bahnsteig sein, meinte Ruslan, Stefan wollte aber vor dem Bahnhofsgebäude auf Ruslan warten, der meinte, noch vorbeizukommen. Schließlich gingen wir gegen 18:20 Uhr doch endlich rüber und schon wurde es stressig. Wir mussten zu Gleis 2, auf Gleis 1 stand jedoch ein elendig langer Zug, welchen wir umrunden mussten mitsamt Fahrrädern und Gepäck. Bei unserem Wagon angekommen fanden wir auch tatsächlich Ruslan und Laura vor, die nicht ganz verstanden, warum wir jetzt erst herkamen. Und schon wurde es noch stressiger. Taschen abladen und ins Abteil, Vorderreifen abnehmen, Lenker querstellen und Pass- und Fahrkartenkontrolle. Als alles Gepäck im Zug war, hieß es: „Äh, die Fahrräder haben hier keinen Platz, das geht nicht.“ Zu unserem Glück übernahm Ruslan mal wieder die Situation und das Diskutieren mit den Zugleuten. Und schließlich konnten wir unsere Fahrräder direkt im Triebwagen unterbringen – mussten jedoch nochmals 10.000 Tenge extra zahlen, was fast einer dritten Fahrkarte entsprach. Klingt absolut legal…
Nochmals bedankten wir uns ganz herzlich bei Ruslan und Laura für ihre Hilfe und verabschiedeten uns voneinander.
Die etwa 17 Stunden Zugfahrt vergingen eigentlich sehr schnell, denn die teurere Zugvariante in Kasachstan ist wirklich sehr gemütlich. Die meiste Zeit haben wir, zugegebenermaßen, geschlafen, ein bisschen gelesen haben wir aber auch. 😉
Hey, gut zu hören, dass es dir wieder besser geht, so ein Schmarren!! Habt’s schon ein Radl bekommen?!
LG
Gernot
Hallo, ich bin ein großer Bewunderer von euch. Lese euren Blog schon von Anfang an, inzwischen schaue ich schon jeden Tag, ob es was neues gibt. Wünsche euch noch alles gute und gut Rad. Liebe Grüße aus dem Heimatland, Bezirk Hartberg. Gottfried
Hallo Gottfried,
danke für dein Kommentar. Freut uns, dass wir dich mit unseren Erlebnissen unterhalten können.
Wir werden uns bemühen, auch in Zukunft interessante Geschichten zu veröffentlichen 🙂
Liebe Grüße,
Alexandra und Stefan
Bei all dem Ärgernis, den man in solchen Situationen hat, sind es dann aber doch diese Erlebnisse, die eine Reise zu einem Abenteuer machen und die man später am liebsten erzählt (die „schlechtes-Wasser-getrunken“-Geschichte vielleicht ausgenommen) 😉
Mittlerweile veröffentlicht ihr ja auch schon im Standard, wie ich sehe – ned schlecht, ned schlecht!
http://derstandard.at/2000019815939/Die-ersten-2-000-Kilometer-Von-der-Steiermark-nach-Weissrussland
Viel Glück beim Rad reparieren und gute Fahrt in Kirgistan!!!